Innenstadttangente und Querspange: Eine notwendige Investition für die Infrastruktur von Zwickau?

Update: Der Stadtrat hat in der Sitzung am 30.11.2023 mit großer Mehrheit den Grundsatzbeschluss zur Komplexmaßnahme angenommen.

Seit Jahren wird in Zwickau über das Für und Wider einer Straßenverbindung von der Kopernikus- zur Reichenbacher Straße (Innenstadttangente) einschließlich der Verlegung von Straßenbahnschienen (Querspange) diskutiert. In meinem persönlichen Wahlprogramm für die Stadtratswahl 2019 habe ich mich bereits dafür ausgesprochen. Der Zwickauer Stadtrat steht nun vor einer historischen Entscheidung. Ein Grundsatzbeschluss steht auf der Tagesordnung der Novembersitzung des Gremiums.

Rekonstruktion des Bahnhofsvorplatzes

Eng mit der Maßnahme verbunden ist die Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes, der sich in einem traurigen Zustand befindet. Besucher der Stadt werden hier kaum ein Gefühl des Willkommenseins empfinden. Die Straßenbahnlinie zum Bahnhof ist seit vier Jahren eingestellt. Die Gleise sind so verschlissen, dass keine Bahn mehr gefahrlos fahren kann. Wer mit ÖPNV weiter will, muss mit teils vollen Bussen vorlieb nehmen.

Der sanierungsbedürftige Bahnhofsvorplatz, an dem die Innenstadttangente entlang führen soll
dringend sanierungsbedürftiger Bahnhofsvorplatz

Innenstadttangente

Genauso problematisch ist die Straßenverbindung zwischen Kopernikus (und weiter über die Jahn- bzw. Pölbitzer Straße zur B93) und der Reichenbacher Straße. Der Schleichweg geht über enge Straßen durch ein Wohngebiet. Offiziell muss bis in die Innenstadt und von dort die Werdauer Straße wieder hinaus gefahren werden. Das Ganze verursacht Lärm, schlechte Luft, Staus und Stress. Das an sich wegen seiner Innenstadtnähe attraktive Wohnquartier an der Werdauer Straße verfällt inzwischen. Klar, dass hier eine Änderung überfällig ist.

Querspange

Früher gab es eine Stichverbindung der Straßenbahn zum Hauptbahnhof, was regelmäßig mit Umsteigen verbunden war. Das war nicht attraktiv. Für daher nur geringe Fahrgastzahlen war der Betrieb immer weniger wirtschaftlich. Die Verkehrsbetriebe regten unter anderem deshalb eine Verlegung der Straßenbahnlinie an. Statt vom Georgenplatz über die Werdauer Straße soll es zukünftig über den Hauptbahnhof und von da über die sogenannte Querspange nach Marienthal gehen. Dieses Vorhaben sorgt seit vielen Jahren für Diskussionen.

Befürchtet wurde in der Vergangenheit, eine notwendige Querung der Eisenbahn sei zu teuer und aufwendig. Wieder andere machten geltend, dass eine Straßenbahn zum Bahnhof nicht nötig wäre, weil sie durch Busse ersetzt werden kann. Inzwischen gibt es nicht wenige, die die Straßenbahn als zu unflexibel und nicht mehr zeitgemäß generell in Frage stellen. Investitionen in ein solches Verkehrsmittel seien verfehlt. Vor allem in konservativen Kreisen wird dies so vertreten. Während also die Innenstadttangente und die Rekonstruktion des Bahnhofsvorplatzes unstrittig sind, trennt sich bei der Querspange sozusagen die Spreu vom Weizen.

Für die Verkehrsbetriebe ist die Querspange eine Chance, ein Zwei-Linien-Straßenbahnnetz zu etablieren und dabei den Hauptbahnhof einzubinden. Das erhöht die Wirtschaftlichkeit, benötigt weniger Bahnen und Personal. Für die Fahrgäste ist es zudem einfacher zu verstehen. Sie können umstiegsarm überall in der Stadt hinkommen. Straßenbahnen werden als komfortables Rückgrat des ÖPNV verstanden. Sie werden in Zwickau noch eine lange Zukunft haben, weil gerade in den letzten Jahren zahlreiche alte Bahnen generalüberholt wurden und neue in der Beschaffung sind. Niemand wird die dafür ausgegebenen Fördermittel zurückzahlen wollen. Deshalb sehe ich zur Querspange auch keine vernünftige Alternative.

Pläne der Stadt für Komplexmaßnahme

Erfreulicherweise wurden der Stadt Fördermittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz in Aussicht gestellt, die einschließlich der vom Freistaat zusätzlich bereitgestellten Gelder eine Höhe von 85 Prozent erreichen. Die Sache hat nur einen Haken. Geld gibt es nur, wenn damit der ÖPNV ausgebaut wird. Und es muss ein Mindestinvestitionsvolumen von 30 Millionen Euro erreicht werden. Daraus folgt, dass ohne Querspange nichts passieren würde. Das kann man blöd finden und auf die Eigenverantwortung und Prioritätensetzung der Kommune verweisen. Ändern kann man es aber nicht. Nimmt Zwickau das Geld nicht, geht es woanders hin.

Es folgt daraus weiterhin, dass die Chance für noch mehr besteht. Das sollte man nutzen. Die Stadt plant deshalb, bei der Gelegenheit gleich andere Maßnahmen mit umzusetzen, die ebenso bereits seit Langem in der Pipeline sind. Konkret geht es um die Umgestaltung der Leipziger Straße, die eine Aufwertung auch dringend nötig hat. Außerdem möchten die Verkehrsbetriebe die Haltestellen im Poetenweg verlegen und die zentrale Umsteigestelle am Neumarkt umgestalten.

öffentliche Fraktionssitzung

Auch in meiner Fraktion gab es Bedenken. Würde eine derart große Investition zum Rückgang von Ausgaben für soziale Zwecke führen? Bleiben freiwillige Leistungen der Stadt für Sport und Kultur auf der Strecke? Kann sich die Stadt ein solches Vorhaben überhaupt leisten? Haben wir nicht dringendere Baustellen? Um Klarheit zu erhalten, habe wir eine öffentliche Fraktionssitzung durchgeführt und freuten uns über gute Resonanz.

Im Ergebnis konnten wir feststellen, dass die Komplexmaßnahme sehr sinnvoll und machbar ist. Die Infrastruktur der Stadt würde durch die Innenstadttangente stark verbessert. Unser Stadtzentrum würde attraktiver. Verkehrsbelastete Quartiere könnten aufgewertet werden. Der ÖPNV in der Stadt würde erheblich attraktiver. Aus allem ergeben sich Chancen für Industrie und Gewerbe. Marco Böhme von der Linken-Landtagsfraktion fasste treffend zusammen: „Wer ist da eigentlich dagegen?“

Wir wissen, dass es nach wie vor Gegner der Maßnahme gibt. Deshalb erwarte ich eine spannende Debatte im Stadtrat. Am Ende hoffe ich, dass die Befürworter in der Mehrheit sind. Denn alles andere wäre für Zwickau eine Katastrophe.

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