Mitten in der Corona-Krise und im Bewusstsein der zu erwartenden Auswirkungen auf den städtischen Haushalt will die Stadt Zwickau langfristige Mietverträge im ehemaligen Schocken-Kaufhaus schließen. Der Finanzausschuss beschäftigt sich in seiner Sitzung am 04. Mai 2020 mit dem Thema[1]. Die Zustimmung gilt als sicher. Das Pikante daran: Für die anzumietenden Büros soll ungefähr doppelt so viel ausgegeben werden, als es bisher der Fall war. In zwanzig Jahren soll der Steuerzahler insgesamt circa drei Millionen Euro zusätzlich aufbringen.
Corona-Krise – dramatische Aussichten
Unser Land befindet sich in einer fulminanten Krise. Die Bundesregierung geht von einer starken Rezession aus. Von Firmenpleiten und steigender Arbeitslosigkeit ist die Rede. Steuereinnahmen brechen ein. Gerade erst hat die Stadt eine Haushaltssperre[3] erlassen. Die Auswirkungen der Krise auf die städtische Entwicklung werden dramatisch sein. Viele der sozialen Leistungen, auf die unsere Stadt zurecht stolz ist, werden auf den Prüfstand kommen. Notwendige Investitionen müssen vermutlich verschoben werden. Zuschüsse für Sport, Kultur und Vereine sind in Gefahr.
In dieser ungewissen Situation will die Stadt einen offensichtlich schlechten Deal durchziehen.
Sanierung grundsätzlich richtig
Um es deutlich zu sagen: Auch ich halte die Sanierung innerstädtischer Brachen für richtig. Die Lebensqualität der Stadt leidet unter den leerstehenden Ruinen. Deshalb habe ich bisher auch die Pläne für das ehemalige Schocken-Kaufhaus unterstützt. Auch jetzt noch bin ich hin und her gerissen. Die Chance, ein großes, seit Jahren leer stehendes Gebäude im Stadtzentrum wiederzubeleben, ist reizvoll. Das steht außer Frage. Bund und Freistaat unterstützen großzügig. Wer weiß schon, wann sich die Gelegenheit wieder bietet.
Aber ich meine, der Einsatz muss messbare Effekte bewirken und die Kosten müssen verhältnismäßig sein. An beidem habe ich einige Zweifel.
Argumente überzeugen nicht
Die Mietkosten werden mit 11 Euro pro Quadratmeter angegeben. Dies ist ein deutlich höherer Preis, als er am Markt offenbar üblich ist. So ergibt eine Internet-Recherche für Gewerbeflächen im Innenstadtbereich Mieten von ca. 5 bis 8 Euro pro Quadratmeter[4]. Es wird vielleicht einzuwenden sein, dass die Ausstattung im Kaufhaus besser sein soll, als üblich. Gerade das muss aber aufhorchen lassen. Luxus-Büros auf Kosten des Steuerzahlers?
Immer wieder wird erklärt, die Sanierung diene der Belebung der Innenstadt. In der Beschlussvorlage heißt es: „Im unmittelbaren Herzen Zwickaus gelegen und die Fußgängerzonen Innere Plauensche Straße über den Marienplatz mit der Hauptstraße verbindend, ist an dieser Stelle ein saniertes Gebäude mit einer attraktiven Nutzung für das Funktionieren des Stadtorganismus unverzichtbar.“
Woraus mit dem Umzug von Verwaltungseinheiten der Stadt ein unverzichtbarer Nutzen für das „Funktionieren des Stadtorganismus“ erwachsen soll, kann ich nicht erkennen. Momentan sind diese (Stadtplanungsamt und Wirtschaftsförderung) in der Katharinenstraße 11 untergebracht . Die Entfernung zum Kaufhaus beträgt gerade einmal knapp 200 Meter.
Kann sich das sanierte Gebäude auf die Attraktivität der Innenstadt als Handelsstandort auswirken? Auch das wird kaum eintreten. Die Entwicklung des Einzelhandels ist vor allem von der vorhandenen Kaufkraft abhängig. Im Beitrag zum Fashion Outlet Center bin ich darauf eingegangen[5]. Die Kaufkraft ändert sich aber durch die Einmietung nicht. Sie wird durch die Corona-Krise eher zurückgehen. Auch wenn es sich um eine „1A-Lage“ handelt, wie der Beschlussvorlage zu entnehmen ist, wird es daher kaum zur Ansiedlung von Galeries La Fayette kommen. Die Einzelhandelsfläche im Erdgeschoss war übrigens auch bisher belegt.
Bleibt die Verbesserung der Unterbringung der Verwaltungsmitarbeiter und die fehlende Barrierefreiheit der bisherigen Büros. Die Argumente sind nicht von der Hand zu weisen. Aber um dies zu verbessern, hätte es bestimmt andere Möglichkeiten gegeben. Möglichkeiten, die finanziell tragbarer gewesen wären.
Zu berücksichtigen ist auch die Nachfolge in der bisher genutzten Liegenschaft. Nach meiner (unbestätigten) Kenntnis handelt es sich um Eigentum der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GGZ. Das würde bedeuten, die Stadt entzieht ihrem eigenen Unternehmen gesicherte Einnahmen. Unklar ist, in welcher Form eine Weiternutzung erfolgen kann. Büroflächen stehen auch in Zwickau leer. Es muss daher zumindest befürchtet werden, dass eine neue Brache entsteht.
Fazit
Alles in allem geht es offenbar nur darum, das Gebäude zu sanieren. Koste es, was es wolle. Alle Begründungen sind in letzter Konsequenz nicht stichhaltig. Um es nochmal zu betonen: Das Projekt ist sinnvoll. Doch darf der Zweck die Mittel heiligen? Vertragen sich die Mehrkosten mit der zu erwartenden schweren Situation der Stadt? Ist dem Steuerzahler so etwas zuzumuten? Ich glaube es nicht.
Aus meiner Sicht sollte die Vorlage geschoben und die Verwaltung verpflichtet werden, zum Mietpreis nachzuverhandeln.
[1] Beschlussvorlage BV/066/2020
[3] Presseinformation der Stadt Zwickau
[4] https://www.immobilienscout24.de/gewerbe-flaechen/de/sachsen/zwickau/gewerbeimmobilien/
[5] https://bernd-rudolph.net/outlet_kontra_innenstadt_zwickau