Krankenhaus auf gesundheitspolitischem Kamikaze-Trip
Gerade in Zeiten wie diesen sollte ein Krankenhaus, wie das Zwickauer HBK, alles tun, was dem Patientenwohl dient. Und es sollte alles unterlassen, was das Patientenwohl gefährden kann. Eine grundlegende Umwandlung des Klinikbetriebes durch Ausgliederung von Organisationen und Personal stellt zweifellos ein erhebliches Risiko dar. Reibungsverluste sind unvermeidbar. Deshalb sollte man meinen, dass derartige Pläne sich momentan verbieten.
Doch das Thema Outsourcing ist dem HBK-Geschäftsführer offenbar ein Herzensbedürfnis. Bereits im vergangenen Jahr plante er umfangreiche Ausgliederungen. Damals stieß er auf erheblichen Widerstand. Betriebsrat und Gewerkschaft machten politisch Druck. Kurz vor den Kommunalwahlen war das Vorhaben schließlich nicht durchsetzbar und verschwand in der Versenkung. Doch zum Beginn des Jahres 2020 kamen neue Pläne ans Licht. Nunmehr sollen die Verwaltungs- und technischen Bereiche sowie die medizinische Berufsfachschule aus dem Krankenhaus ausgegliedert und in ein Tochterunternehmen überführt werden. Der Finanzausschuss des Stadtrates hat bereits zugestimmt. Nun steht das Thema (im Ratsinformationssystem nicht mehr abrufbar) auf der Tagesordnung des Stadtrates. Doch im Gegensatz zum letzten Jahr bleibt der öffentliche Aufschrei diesmal aus. Offenbar ist das Interesse in Zeiten der Corona-Krise gering. Ein offener Brief, den die Zwickauer Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann an Geschäftsführer Glaß richtete, wurde zwar medial aufbereitet. Aber mehr war auch nicht. Ich hoffe, dass es nicht mehr oder weniger stillschweigend zu einer Beschlussfassung im Stadtrat kommt. Denn die Folgen sind weitreichend.
Rationalisierung auf Kosten der Beschäftigten
Outsourcing dient immer vorrangig der Einsparung von Personalkosten. Dies wird in einem Gutachten (im Ratsinformationssystem nicht mehr abrufbar), das der Stadtratsvorlage beiliegt, auch klar benannt. So geht man von einer „Absenkung des Personalaufwands durch fehlende Geltung der tarifbezogenen Bindungen“ aus. Ganz klar: Ein vor dem Abschluss stehender Tarifvertrag für das HBK würde für Neueinstellungen nicht gelten. Mittelfristig würde die Tarifbindung vermutlich gänzlich verloren gehen. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist in Verwaltungsbereichen traditionell wenig ausgeprägt. Das betrifft auch die Neigung zur Gründung von Betriebsräten. Für den Arbeitgeber scheinbar eine paradiesische Ausgangslage. Er kann ohne Rücksicht eine „teile und herrsche“-Politik umsetzen, einzelne bevorzugen und viele mit Brosamen abspeisen. Auf der Strecke bleiben innerbetriebliche Demokratie und Konfliktbeilegung. Kein erstrebenswerter Zustand. Denn längst ist erwiesen, dass Betriebe, in denen ein institutioneller Interessenausgleich geübt wird, langfristig erfolgreicher sind. Geht es den Beschäftigten gut, sind die Ergebnisse besser. Außerdem spricht sich Zufriedenheit herum. In Zeiten der oftmals beschworenen Fachkräftemisere ein starkes Argument. Die mit dem Outsourcing beabsichtige Kosteneinsparung auf dem Rücken der Beschäftigten könnte also leicht zum Bumerang werden.
Patientenwohl schützen – Fehlentwicklungen vermeiden
In der Beschlussvorlage wird argumentiert, dass mit der Ausgliederung Effizienzsteigerungen erreicht würden. Dies erscheint fragwürdig. Die Arbeitsabläufe sind heute langjährig erprobt. Sie wurden sicher fortlaufend optimiert. Hierarchien sind klar definiert. Die gemeinsame Arbeit in einem Betrieb an einem Gesamtprodukt schafft Verbundenheit und Motivation. Das alles wird durch die Ausgliederung aufs Spiel gesetzt. Zumindest mittelfristig dürften erhebliche Reibungsverluste entstehen, weil sich neue Unterstellungsverhältnisse einspielen müssen. Verbindliche Regeln müssen aufgestellt und wiederum optimiert werden. Zudem bedürfen die besonderen Vorschriften für den Umgang mit Patientendaten und der ärztlichen Schweigepflicht spezielle Verträge und Kontrollmechanismen. Gerade diese den Datenschutz betreffenden Probleme wurden in der Beschlussvorlage gar nicht erwähnt. Sie sind aber von fundamentaler Bedeutung.
Das Outsourcing von Verwaltungsdiensten wurde in anderen regionalen Krankenhäusern (z. B. im Chemnitzer Klinikum) bereits praktiziert und dort teilweise zwischenzeitlich wieder zurückgenommen. Die Erfahrungen waren überwiegend negativ. Von mir kontaktierte Mitarbeiter sprachen von Chaos und „Herumwursteln“. Klare Verantwortlichkeiten seien verloren gegangen. Eine erhoffte Effizienzsteigerung sei nicht eingetreten. Eher ist das Gegenteil der Fall.
Outsourcing keine adäquate Reaktion auf verfehlte Gesundheitspolitik
Durch die Ausgliederung von Klinikteilen sollen Kosten eingespart werden. Dies erscheint nötig, weil den Krankenhäusern durch die falschen politischen Rahmenbedingungen finanzielle Zwänge auferlegt werden. Das Fallpauschalen-Abrechnungssystem sorgt seit Jahren für eine chronische Unterfinanzierung. Die Folge sind Investitionsstau, Ärztemangel, Pflegenotstand und Rationalisierungsdruck. Gesundheit wurde auf eine Ware reduziert. Kosteneinsparungen „auf Teufel komm raus“ scheinen unvermeidlich. Statt sich dieser verhängnisvollen Entwicklung entgegen zu stellen und die Änderung der Rahmenbedingungen hin zu einer solidarischen Gesundheitspolitik einzufordern, fügt sich die Geschäftsführung den vermeintlichen Sachzwängen. Leidtragende sind das Personal und letztlich die Patienten.
Es ist an den politischen Verantwortungsträgern der Stadt, dies zu verhindern. Ich hoffe, dass sich am Ende die Vernunft durchsetzt. Ich kann hier nur für mich selbst sprechen. Aber auf mich können sich die Beschäftigten verlassen. Ich lehne die Vorlage ab.
2 Gedanken zu „HBK Zwickau: Outsourcing-Pläne während der Corona-Krise“
Den Standpunkt von Herrn Rudolph kann ich teilen.
Zumal auch nach meiner Auffassung Notwendig-
keiten zur wirtschaftlichen Sicherstellung der KHer auf anderen Ebenen zu suchen wären. Dies ist und wurde in der gegenwärtigen Situation deutlich. Einsichten meine ich bereits zu erkennen. Im Weiteren sollte auch die Verwendung der Mittel an der Basis mehr zweckorientiert erfolgen.
Trennungen der Organisation/ Verwaltung und technischer Betreuung vom medizinischen Leistungsbereich werden immer „Lücken“ im Prozess enthalten, die mit Aufwand geschlossen werden müssen oder auch Negativeffekte bringen.
Von Vereinfachung der Strukturen im Sinne von Steigerung der Effizienz und Systemsicherheit kann man da wohl nicht sprechen.
Ob damit am Ende Kosten zu sparen sind, wage ich zu bezweifeln. Zumindest wäre dies dann sehr partiell betrachtet. Gekaufte Leistung kostet und in hoher Qualität auch mehr.
Die gegenwärtige Situation zeigt, solche Bestrebungen wären die falsche Richtung, weil u.a. die Situationen differenziert betrachtet und bearbeitet werden müssen, dazu Kenntnisse und Sichten auf spezielle Situationen erforderlich sind.
Hallo Bernd,
ich finde es sehr gut zusammengefasst, was Outsourcing bedeutet – sowohl am HBK als auch überall sonst. Und ich freue mich über deine klare Haltung!
Die Partei Die Linke sollte das überall ablehnen! Eigentlich verstehe ich gar nicht, was es da zu überlegen oder zu diskutieren gibt. Es ist doch bundeseinheitliche Meinung in der LINKEN, dass Gesundheit keine Ware ist, dass es einen Stopp aller Privatisierungen geben sollte (und Outsourcing ist eine Privatisierung) und dass alle im Gesundheitswesen Tätigen mehr Geld verdienen sollten.
Leider scheinen Theorie und Praxis dann doch häufig auseinanderzudriften. Wir müssen uns schon an unsere eigenen Beschlüsse halten, wenn wir glaubwürdig sein wollen und den Menschen nahelegen wollen, dass die Linke eine wirkliche Alternative zu den SPD und Grünen sein will. Outsourcing im Gesundheitswesen gehört eindeutig nicht dazu!
Was sagt denn ver.di dazu?
Wenn ihr Unterstützung braucht (z.B. eine Solidaritätserklärung o.ä.), sagt gern Bescheid!
Gesundheit ist keine Ware!
Mit solidarischen Grüßen
Dorit Hollasky, Dresden