Auch in Zwickau gilt: Wer nicht völlig ignorant ist, kann keinen Zweifel haben. Das Klima wandelt sich. Es wandelt sich immer schneller. Die Auswirkungen sieht und fühlt längst jeder. Milde Winter und heiße Sommer. Wochenlange Trockenheit. Andererseits Stürme, Sturzfluten, Überschwemmungen. Baumsterben und Meeresspiegelanstieg. Unsere Lebensgrundlage ist in Gefahr. Wir sollten deshalb nicht vom Klimawandel sprechen, sondern von einer Klimakrise.
Diese Krise erfordert entschiedenes Handeln. Der Ausstoß von Kohlendioxid in die Atmosphäre muss kurzfristig erheblich reduziert werden. Politik darf dabei nicht Moral predigen und selbst Verantwortung scheuen. Das Klima retten wir nicht, indem wir die Menschen nur aufrufen, kein Fleisch zu essen und nicht mehr Auto zu fahren.
Verantwortung der Politik
Wir müssen auch in Zwickau Bedingungen schaffen, dass die Menschen in der Lage sind, ihre Lebensweise zu ändern. Sie müssen zum Beispiel über sinnvolle Alternativen zur CO2-emmitierenden Mobilität verfügen. Wir müssen Bedingungen schaffen, dass der gesamte Verkehrssektor weniger, am besten gar kein CO2 verursacht. Denn dieser Sektor ist für knapp 20 Prozent der Treibhausgasemission verantwortlich. Es wird deutlich, dass hier erheblicher Handlungsbedarf besteht.
Weil die Nutzung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen sich noch im Forschungsstadium befinden, ist die einzige heute bereits verfügbare Alternative die Elektromobilität. Auch wenn klar ist, dass die Technologie über Nachteile wie hohen Ressourcenverbrauch bei der Akkumulatoren-Herstellung oder bisher nicht gelöste Probleme beim Recycling verfügt: Die Förderung der Elektromobilität ist alternativlos. Der Wandel vom Verbrenner zum Stromer muss auf allen politischen Ebenen vorangetrieben werden. Auch in Zwickau.
Konzept für Zwickau
Darüber bestand schon mal Konsens im Stadtrat. 2018 wurde für reichlich 120.000 Euro ein Unternehmen mit der Erstellung eines Elektromobilitätskonzepts beauftragt. Ziel war „ein umsetzungsorientierter und konkreter Handlungsleitfaden für die Umgestaltung hin zur nachhaltigen urbanen Mobilität der Zukunft“, wie es in der damaligen Beschlussvorlage hieß. Nun liegt das Konzept vor und wird seit Beginn des Jahres kontrovers diskutiert. Dabei zeigt sich bei vielen Zwickauer Stadträten ein erkennbares Defizit an Problembewusstsein. Mit Verweis auf die Kosten wird die Umsetzung des Konzepts unterlaufen.
Es hat für mich den Anschein, dass man eigentlich Elektromobilität ablehnt. Ganz so offen will man es aber auch nicht zugeben. Deshalb wurde eine Beschlussvorlage im zuständigen Ausschuss so geändert, dass wesentliche Bestandteile des Konzeptes gestrichen werden sollen. Die erkennbare Abneigung gegen das Konzept wird auch in einer strikten Vorgabe von Finanzierungsvorbehalten deutlich. An der Einbeziehung der Elektromobilität in den ÖPNV soll nicht weiter gearbeitet werden. Ebenso soll die Erstellung eines Verkehrsmodells sowie eines Routing- und Verkehrsleitsystems geschliffen werden.
Am wichtigsten aber ist Ablehnung der Schaffung einer Verwaltungseinheit, die sich um die Ausgestaltung des Konzeptes kümmern soll (Mobilitätsmanager). Wie aber kann ein Projekt umgesetzt werden, wenn dafür kein Personal vorhanden ist? Kann ein solch umfangreiches Konzept quasi nebenbei von anderen Verwaltungsmitarbeitern mit erledigt werden? Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass es da so viele „freie Spitzen“ gibt. Mit diesem Federstrich jedenfalls droht das Konzept zur teuren Totgeburt zu werden.
Vergebene Chancen – unsichere Zukunft
Man kann über eine derartige Kurzsichtigkeit nur den Kopf schütteln. Gerade erst hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass es unzulässig ist, nachkommende Generationen mit den erheblichen Kosten zur Bewältigung der Klimakrise allein zu lassen. Hohe Emissionsminderungslasten dürfen nicht unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030 verschoben werden.
Genau darauf läuft es aber hinaus, wenn wir heute eigensüchtig Ausgaben für diesen Zweck vermeiden. Was heute versäumt wird, führt unweigerlich zu einer späteren Kostenexplosion. Wenn es dann nicht längst zu spät ist, Änderungen zu erreichen. Wissenschaftler sprechen von Kipppunkten, ab denen es vermutlich nicht mehr möglich ist, den weiteren Fortgang der Krise zu verhindern.
Appell an Vernunft
Vor diesem Hintergrund gilt es im Zwickauer Stadtrat an die Vernunft zu appellieren. Wir haben es in der Hand, ob wir unseren Kindern im wahrsten Sinne des Wortes verbrannte Erde hinterlassen. Wir sind nicht nur für uns heute Lebende verantwortlich. Wir müssen uns immer auch der Tragweite unserer Entscheidungen für nachfolgende Generationen bewusst sein. Ich bin auf die Debatte gespannt. Unter Aktuelles gibt es dann dazu weitere Infos.