Freie Fahrt für „Freie Bürger“ in Zwickau?

Wie schade, dass ich wegen meines Unfalls gehandicapt bin und noch immer nicht an den Sitzungen des Stadtrats teilnehmen kann. Ich hätte große Lust zur Debatte. Aber da das eben nicht geht, hier meine Meinung zu einigen Themen der nächsten Zwickauer Stadtratssitzung.

Vorbemerkung

Nach der Veröffentlichung des Beitrags habe ich ihn noch einmal gelesen und befunden, dass der Inhalt teilweise missverständlich war. Der Eindruck konnte entstehen, einzelnen Stadtratskolleginnen und -kollegen werden Motive und Haltungen unterstellt, die vielleicht nicht zutreffen. Das war nicht meine Absicht. Deshalb habe ich mich entschlossen, den Text noch einmal zu überarbeiten.

Verkehrsversuch als Politikum

Unter Wortführung von Wolfram Keil, der nach seinem Austritt aus der AfD der Fraktion „Freie Bürger“ im Zwickauer Stadtrat angehört, hat sich quer durch die Fraktionen eine Gruppierung gebildet, die eine Sondersitzung des Zwickauer Stadtrates verlangt, um über die neu markierten Schutzstreifen für Fahrradfahrer auf der Marienthaler Straße zu reden. Offenbar will man diese nicht. Mag sein, dass das nicht für alle gilt. Dem einen oder anderen geht es ums Prinzip, wie man hört. Darum, als Stadtrat über alles entscheiden zu dürfen. Auch wenn es nicht zu den Kompetenzen des Rats gehört. Aber ich kann mich des Eindrucks eben nicht erwehren, dass mehr dahinter steckt.

Letztlich geht es nur um einen Verkehrsversuch. Auf Anregung einer Unfallkommission wurden Schutzstreifen markiert, wie es sie landein, landaus längst gibt. Ermittelt werden soll, wie sich das auf die Sicherheit der Rad fahrenden Menschen auswirken wird. Wer die Straße kennt, weiß, dass es nur besser werden kann. Bisher dürfte dort kaum jemand ohne permanente Todesfurcht mit dem Rad unterwegs gewesen sein. Vielmehr weichen auch Erwachsene lieber auf den Fußweg aus, oftmals in Konflikt mit Fußgängern kommend.

Mir scheint es so, als wäre es einigen unerträglich, dass der Verkehrsraum für Kraftfahrzeuge zugunsten von Radfahrern eingeschränkt wird. Nun will man gar vor Gericht ziehen, weil die Oberbürgermeisterin die Sondersitzung nicht ansetzen will. Man darf gespannt sein, wie lange Frau Arndt diesem Druck standhalten wird. Ich wünsche ihr in dieser Machtprobe jedenfalls Kraft.

Zwickau: Radfahrer haben es schwer
Bildquelle: Gabi Schönemann / pixelio.de

Radverkehrskonzept als „Papiertiger“?

Meiner Meinung nach kommt auch in der Änderung der Beschlussvorlage zum Radkonzept eine eher abneigende Haltung zum Radverkehr zum Ausdruck. Mir scheint es, als will man keinerlei Einschränkungen beim Autoverkehr zugunsten der Radfahrer. Ich denke, Aufgabe der Politik müsste es sein, einen Ausgleich zu finden. Einen Ausgleich, der allen Verkehrsteilnehmern gerecht wird und dabei Schwächere schützt.

Das Konzept ist aus meiner Sicht dafür eh schon viel zu unambitioniert. Auch der ADFC kann sich damit nicht anfreunden. Wir beobachten schließlich, dass immer mehr Menschen aufs Rad steigen, um zur Arbeit zu kommen oder Wege zu erledigen. Schon aus Gründen des Klimaschutzes wäre das konsequent zu fördern. Unsere Stadt hat hierbei großen Nachholbedarf. In Umfragen zur Radfahrfreundlichkeit rangiert Zwickau regelmäßig auf hintersten Plätzen.

Dies zu verändern, müsste geklotzt werden, statt zu kleckern. Sofort mögliche Maßnahmen wie Tempo 30-Zonen in Wohngebieten oder eben die Markierung von Schutzstreifen, die nicht viel kosten, müssen schnellstmöglich umgesetzt werden. Weitere Maßnahmen müssen konsequent vorbereitet und in die Haushaltsplanung eingearbeitet werden.

Doch das Konzept ist hier eher vorsichtig formuliert, so als hätte man den Gegenwind vorhergesehen. Als Ziel wird eine Steigerung des Radverkehrsanteils in sieben Jahren um zwei auf dann sieben Prozent angegeben. Für manche Stadträte ist das offenbar schon zu viel. Die geänderte Beschlussvorlage spricht beim Konzept schließlich nur noch von einem informellen Charakter und von Vorschlägen. Jegliche Verbindlichkeit wird ihm so genommen. Die eh schon geringe Ambition droht gänzlich verloren zu gehen.

Wird das Konzept so beschlossen, wird es sich als zahnloser Tiger erweisen. Und Zwickau wird vor allem für junge Menschen noch unattraktiver. Man fühlt sich beim Vorzug des Autoverkehrs an die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts erinnert, als Städte autogerecht ausgerichtet wurden. Die Folgen in Form von zum Beispiel Lärm und schlechter Luft sind bekannt. Viele Städte orientieren sich deshalb bereits seit längerer Zeit um. Das würde ich mir auch für Zwickau wünschen.

Lärmaktionsplan

Dies gilt auch für den Lärmaktionsplan. Doch setzt sich bei der geänderten Beschlussvorlage die Haltung einzelner Stadträte, keine Einschränkungen des Autoverkehrs zuzulassen, fort. Der Plan ist eine Pflichtaufgabe der Kommune und wurde unter breiter Einbeziehung der Öffentlichkeit durch ein Planungsbüro erstellt. Im zuständigen Ausschuss wurde die Vorlage nun in wesentlichen Punkten abgeändert.

Keine Frage, es ist das Recht der demokratisch gewählten Abgeordneten, Vorlagen der Verwaltung zu hinterfragen. Ich denke aber, Politik muss sich auf wissenschaftliche Expertise stützen und darf nicht „aus dem Bauch“ heraus gemacht werden. Mir scheint es allerdings manchmal (nicht nur bei diesem Thema) so, als wäre gerade dies der Fall. Der Plan wurde durch Fachleute nach langer Beratung mit allen möglichen Trägern öffentlicher Belange erarbeitet und enthält konkrete, zielgerichtete Vorschläge. Diese werden von Politikern, die in der Sache nicht die gleiche Kompetenz haben können, unterlaufen. Ich finde das schon ein bisschen anmaßend.

Worum geht es? Der Planentwurf sah u. a. vor, an Zwickauer Hauptverkehrsstraßen die Fahrspuren zu reduzieren und Fahrradschutzstreifen zu markieren. Ein rotes Tuch für die Autofahrer-Lobby, wie wir bereits wissen. Obwohl daraus unmittelbar eine konkrete Verringerung des Straßenlärms resultieren würde, will man diese Maßnahmen bis zur Fertigstellung der Innenstadt- bzw. Nordtangente verschieben.

Aus meiner Sicht ist das unredlich. Der Bau der Innenstadttangente ist mehr als fraglich. Darüber wird seit Jahren diskutiert. Die Finanzierbarkeit steht in den Sternen. Noch gravierender gilt das für die Nordtangente, womit die Verbindung der S 239 von der B 175 zur B 93 gemeint ist. Sie ist noch nicht einmal im Landesverkehrsplan 2030 als Bedarf enthalten. Wer heute notwendige Maßnahmen aber auf den St. Nimmerleinstag verschiebt, lässt die lärmgeplagten Menschen allein. Ihr Schicksal, ihre Gesundheit bleiben dabei auf der Strecke. Das ist nicht das Suchen nach einem Ausgleich, wie es Aufgabe der Politik wäre. Das ist ein populistisches Bedienen von einzelnem Klientel.

Ich hoffe natürlich, dass sich im Rat eine Mehrheit findet, die eine solche rückwärts gewandte Politik nicht mittragen kann. Doch ich befürchte, meine Hoffnung wird abermals enttäuscht werden. Wir werden sehen.

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