Schulspeisung und Demokratie in Zwickau

Ohne Zweifel. Das Thema Schulspeisung ist den etablierten Parteien in Zwickau unangenehm. Um nicht zu sagen, lästig. Es erinnert sie an ihr eigenes Versagen. Da möchte man am besten vor der Kommunalwahl nicht drüber sprechen. So wundert es nicht, dass mit allen möglichen Tricks und unter Bruch demokratischer Gepflogenheiten eine Behandlung im Stadtrat verhindert wird. Die Eskalation ergab sich am 30. Mai, als meiner Fraktion die Durchführung einer frist- und normgerecht beantragten Kurzdebatte verweigert wurde. Ein Vorgang, der sicher in der langen Geschichte des Rats beispiellos sein dürfte. Was sind die Hintergründe?

Im Februar übergab der vom Bundestag eingerichtete Bürgerrat ein Gutachten zur Ernährung der Bevölkerung. Darin enthalten auch die Forderung auf ein kostenfreies Mittagessen für alle Kinder als Schlüssel für Bildungschancen und Gesundheit. Bereits im Januar forderte der Kreiselternrat vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Preise eine politische Einflussnahme in Form eines Kostendeckels. Sorgen bereitete vor allem der erwartete weitere Preisschub wegen des Wegfalls der Mehrwertsteuerermäßigung in der Gastronomie. Ich nahm das zum Anlass, die Verwaltung zu fragen, was eine solche Maßnahme die Stadt kosten würde. In der Antwort wurden Zahlen zwischen jährlich 42.000 Euro bei einem Preisdeckel von 5 Euro und 613.000 Euro bei einem von 3 Euro genannt. Gleichzeitig machte Bürgermeister Lasch deutlich, dass ihm eine solche Regelung alles andere als Recht wäre.

immer weniger Kinder nehmen an Schulspeisung teil

Weil uns die schwierige Lage vieler Elternhäuser bewusst ist, beantragten wir trotzdem im März die bis Jahresende befristete Einführung eines Kostendeckels auf 4 Euro. Die Kosten sollten mit Minderausgaben für den Sportstättenbetrieb gedeckt werden. Das Geld ist im Haushalt also vorhanden. Gleichzeitig sollte die Stadtverwaltung beauftragt werden, evtl. unerwünschte Effekte zu untersuchen und dem Rat mitzuteilen. Dies sollte die Grundlage sein, um in den folgenden Haushaltsverhandlungen das Thema verantwortungsbewusst beraten zu können. Vor allem aber ging es darum, die Eltern schnell zu entlasten.

Wir machten darauf aufmerksam, dass wir infolge des Wirtschaftskrieges gegen Russland und der dadurch stark gestiegenen Inflation Reallöhne im Land haben, die deutlich unter dem Stand von 2019 liegen. In dieser Situation drehen viele Haushalte den Euro mehrmals um, bevor sie ihn ausgeben. Das führt dann auch dazu, dass Eltern ihre Kinder von der Mittagessenversorgung abmelden müssen. Also eher das Gegenteil von dem, was eigentlich für deren Gesundheit so wichtig wäre.

Nun begann die Farce. In einer nichtöffentlichen Ausschusssitzung, an der meine Fraktion nicht mitreden durfte, wurde eine Vertagung beschlossen. Die Folge ist, dass fühestens im September wieder über das Thema gesprochen werden kann. So glaubten die etablierten Parteien, das für sie ungeliebte Thema aus dem Kommunalwahlkampf raushalten zu können.

Im Mai zeigte sich, dass neben den hohen Kosten für die Essensversorgung noch weitere Probleme an den Zwickauer Schulen existieren, die aus unserer Sicht Handlungsbedarf bei der Verwaltung hätte auslösen müssen. So musste bereits mehrmals das fertig gekochte Essen vernichtet werden, weil niemand da war, der es ausgeben konnte. Ein Vorgang, der in der Bevölkerung auf keinerlei Verständnis stieß. Die Stadt erklärte öffentlich ihre Nichtzuständigkeit. Offenbar fehlen der Verwaltung und dem verantwortlichen Bürgermeister Lasch die Ideen oder einfach das Problembewusstsein.

Skandal in Stadtratssitzung

Wir wollten das nicht so hinnehmen und beantragten zum Thema „Situation der Schulspeisung“ eine Kurzdebatte in der Stadtratssitzung. Dies ist ein demokratisches Recht der Fraktionen, um für die Stadt bedeutsame Sachverhalte ausführlich diskutieren zu können. Die etablierten Parteien jedoch verweigerten sich dem demokratischen Austausch. Auf Antrag der CDU/FDP-Fraktion wurde geschäftsordnungswidrig bereits vor der Beschlussfassung zur Tagesordnung eine Verschiebung beschlossen. Für mich ist das ein Skandal, der zeigt, wie wenig Demokratie im Jahr des 75-jährigen Bestehens des Grundgesetzes im Zwickauer Stadtrat gelebt wird. Minderheitenrechte werden komplett in den Schmutz getreten.

Fraktion BSW beantragt einen Kostendeckel für die Schulspeisung

Dabei kann jeder erkennen, warum das getan wird. Die in Sachsen regierenden Parteien haben im Landtag erst im Januar einen Antrag (TOP 14) der Fraktion Die Linke auf kostenfreies Mittagessen in Kitas und Schulen abgelehnt. Das hindert sie nicht daran, in Wahlversprechen ihr Eintreten für die Förderung von Familien zu propagieren. Die SPD demonstriert gar mit Teddybären in der Zwickauer Innenstadt dagegen, dass Kinder mit leeren Magen die Schulbank drücken müssen. Sie alle fühlen sich wohl in ihrer Verlogenheit ertappt und wollten das Thema lieber totschweigen. Verwundert kann man nur über die Linke und die AfD sein. Denn beide sind ja eigentlich auch für die Entlastung der Eltern. Aber offenbar wollten sie uns das Thema nicht überlassen. Dass man damit den Eltern einen Bärendienst erwies und der eigenen Glaubwürdigkeit gleich mit, ist ihnen vermutlich nicht bewusst. Oder egal.

Schaden für Demokratie

Was bleibt, ist ein Schatten, der sich auf das demokratische Miteinander im Rat gelegt hat. Aus billigen Gründen werden parlamentarische Regeln gebrochen. Die Leidtragenden sind die Menschen unserer Stadt. Aber ich bin sicher, dass die erkennen, wer am Ende ihre Interessen vertritt. Und ich hoffe, dass sich irgendwann wieder das Vertrauen in einen Stadtrat einstellt, der Demokratie achtet und nicht nur die Arroganz der Macht.

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