In einer Pressemitteilung am 09. Februar 2020 schlug die Stadtverwaltung vor, das verfallene 04-Bad im Zwickauer Stadtteil Pölbitz nicht zu sanieren. Stattdessen sollte es in ein Freizeitareal mit Spielplätzen und Wohnmobilstellplätzen umgewandelt werden. Die Pläne schlugen in der Stadtgesellschaft ein, wie eine Bombe. In vielen Leserbriefen an die Zwickauer Lokalredaktion der Freien Presse, aber auch in Anrufen, eMail und Briefen an Fraktionen äußerten Bürger ihr Unverständnis. Besonders in der Kritik stand Oberbürgermeisterin Constance Arndt, die im Wahlkampf versprochen hatte, sich für den Erhalt der „Nulle“, wie das Bad im Volksmund heißt, einzusetzen. Der Zwickauer Stadtrat hat am 24. Februar 2022 zum Thema eine Kurzdebatte geführt, zu der auch ich sprach.
klipp und klar pro 04-Bad Zwickau
Meine Fraktion und ich persönlich stehen klipp und klar für das Bad. Wir sehen darin einen Ort der Erholung für Kinder, Jugendliche und Familien, gerade für sozial schwache Schichten. Insbesondere aufgrund der wegen der Klimaänderung zu erwartenden häufigeren Hitzeperioden braucht es solche Einrichtungen, in denen man sich erfrischen und regenerieren kann. Aber auch als Sportstätte braucht es Bäder, in denen Kinder das Schwimmen erlernen und vervollkommnen können. Die Schließung und Umwandlung in einen anders genutzten Freizeitbereich ist also für uns keine gute Option.
Wenn man die Verlautbarungen aus den anderen Fraktionen hört, wird deutlich, dass es allenthalben ähnlich gesehen wird. Trotzdem wurde das Bad jahrelang äußerst stiefmütterlich behandelt. Die jetzt eingetretene Situation war daher eigentlich absehbar. Zur Verdeutlichung muss man dazu etwas in die Geschichte gehen.
Verfall mit Ansage
2005 beschloss der Zwickauer Stadtrat aufgrund akuter Finanzsorgen, das im Jahr 1927 eröffnete und nach dem Krieg neu hergerichtete 04-Bad genauso wie das im Stadtteil Crossen zu schließen. Im Jahr darauf gründeten sich Fördervereine, die sich bereit erklärten, die Bäder weiter zu betreiben. Durch die Stadt wurden daraufhin jährliche Zuschüsse gezahlt, die jedoch nie auskömmlich genug waren, immer dringlicher werdende Investitionen vorzunehmen.
So verschliss die Substanz. Jeder, der Augen im Kopf hat, konnte das sehen. Für eine Abhilfe gab es keine finanziellen Spielräume, Fördermittel standen nicht zur Verfügung. In der 2016 einstimmig beschlossenen Sportstättenentwicklungsplanung heißt es explizit: „Von einer Sanierung ist aufgrund der großen Anzahl von Mängeln abzuraten.“ Wie ich finde, war das damals bereits ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Zur Schließung des Bades fehlte der Mut, zur Sanierung das Geld. Also wurde „weitergewurschtelt“.
Reichtum wächst – Infrastruktur verfällt
An der Stelle ist einzufügen, dass es sich hier um eine politisch gewollte Fehlentwicklung handelt. Während auf der einen Seite die privaten Vermögen explodieren, verfällt auf der anderen Seite die Infrastruktur. Während die 10 reichsten Deutschen während der Pandemie ihren Besitz um 100 Milliarden Euro erhöhten, diskutieren Kommunen, woher sie wenige Millionen Euro für eine Badsanierung nehmen sollen. Doch von Bestrebungen, Reichtum zu begrenzen und ihn mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen, nimmt die Regierung Abstand. Krass!
aussichtslose Situation
Im Jahr 2018 gab es einen Beschluss des Zwickauer Stadtrats zur Übernahme des 04-Bads in den städtischen Sportstättenbetrieb. Damit verbunden war aber auch keine finanzielle Unterlegung zu nötigen Sanierungen. In einer dem Finanzausschuss im Oktober 2020 übergebenen Informationsvorlage wurden auf vier Seiten Mängel aufgelistet, für deren Behebung damals Kosten von 1,35 Millionen Euro veranschlagt wurden. Diese Mittel wurden dann auch in zwei Jahresscheiben in den Haushalt eingestellt. Klar war aber: Damit hätte man nur die nötigsten Dinge ausgebessert. Die für eine grundlegende Sanierung nötigen Kosten wurden auf ca. 10 Millionen Euro geschätzt.
Aufgrund des Investitionsstaus glich die Aufgabe, den sicheren Betrieb des Bads dauerhaft zu gewährleisten, für den Betriebsleiter der Quadratur des Kreises. So spitzte sich die Situation weiter zu. Die vom Zwickauer Stadtrat geforderte Suche nach einem neuen Betreiberverein verlief negativ. Der Beginn der Notsanierung verzögerte sich. Die Kosten dafür wachsen aufgrund von Preissteigerungen Monat für Monat an.
„Reißleine gezogen“
An dieser Stelle hat die Verwaltung die „Reißleine“ gezogen, hat – wie ich es sehe – einen Befreiungsschlag geführt. Der Ablauf war unglücklich. Ohne den Stadtrat zuvor ausreichend zu informieren, wurde der Plan öffentlich gemacht. Das ist zu kritisieren. Aufgrund des allseits bekannten Zustandes des Bades konnte jedoch nun wirklich niemand überrascht sein. Der medial vorgetragene Aufschrei einiger Zwickauer Stadträte ist deshalb aus meiner Sicht ziemlich unehrlich. Geradezu lächerlich und eher kindisch finde ich den Verweis auf angeblich gebrochene Wahlversprechen durch die Oberbürgermeisterin. Wenn sich die Bedingungen ändern, muss verantwortungsbewusst darauf reagiert werden. Dies ist passiert. Daher sehe ich für ein „OB-Bashing“ keinen Anlass.
Blick nach vorn nötig
Stattdessen gilt es, den Blick nach vorn zu richten. Nötig ist eine konzeptionelle Neuausrichtung des Areals. Dabei muss jede Möglichkeit des Erhalts als Bad genutzt werden. Denkbar sind Umwandlungen in ein Naturbad, einen Badeteich oder ein kleineres Becken mit der Option einer späteren Erweiterung. Ganz wichtig ist eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit in Zwickau und Umgebung. Anzuregen wäre ein Ideenwettbewerb. Klar muss sein, dass jede Idee vorbehaltlos geprüft wird. Zu warnen ist vor einem Schnellschuss. Nötig ist, sich so viel Zeit zu nehmen, wie es braucht, ein optimales Ergebnis zu erreichen.
Noch mehr als jetzt muss der Stadtrat die Herrschaft über das weitere Vorgehen besitzen. Deshalb schlagen wir vor, einen zeitweiligen Ausschuss zu bilden, der gemeinsam mit der Verwaltung, mit Fachleuten und der Öffentlichkeit die besten Lösungen sucht. Dabei sollten auch neue Fördertöpfe gesucht und, wenn möglich, genutzt werden.
Bürgerentscheid?
Im Stadtrat wurde der Vorschlag gemacht, die Bevölkerung in einem Bürgerentscheid über den Erhalt des Bads bestimmen zu lassen. Ich halte viel von einer solchen demokratischen Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger. In meiner Zeit als Gemeinderat im erzgebirgischen Jahnsdorf habe ich damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Es ging damals genau um das gleiche Thema. Der Rat war unentschlossen, ob er das kommunale Freibad sanieren sollte. Nötig war dazu eine erhebliche Verschuldung der Gemeinde. Die Entscheidung traf dann in einem Bürgerentscheid die Bevölkerung. Heute ist das Jahnsdorfer Bad ein modernes Kleinod.
Man kann sich nur wünschen, dass die „Nulle“ eine ähnliche Perspektive bekommt.