Gigabit-Internet: Zwickau verschläft die Zukunft

Deutlicher kann eine Stadt und ihre Verwaltung ihre Visionslosigkeit nicht zur Schau stellen.

Durch den Stadtrat beauftragt, ein strategisches Konzept zur Installation eines flächendeckenden Gigabitnetzes zu erstellen, wurde von der Verwaltung nichts Substanzielles vorgelegt. Offenbar fühlten sich die mehr als tausend Beschäftigten der Verwaltung der Aufgabe nicht gewachsen. Stattdessen übergab man die Aufgabe an die Zwickauer Energieversorgung, ein kommunales Unternehmen, in dem man jede Verantwortung für den Breitbandausbau in der Stadt bekanntlich seit Jahren konsequent ablehnt.

Bildquelle: Bernd Kasper  / pixelio.de

So kam es, wie es kommen musste. Die ZEV legte ein Papier[1] vor, indem das Projekt als völlig unwirtschaftlich und nie realisierbar dargestellt wird. Nicht zuletzt stellt man in ignoranter Art selbst den Bedarf an einem Gigabit-Glasfasernetz in Frage. Damit erhebt man sich über den Willen des Stadtrates, der im April 2019 einstimmig beschlossen hat, „bis zum Jahr 2025 über eine durchgängige gigabitfähige Infrastruktur auf Basis der Glasfasertechnologie (FTTH/B) zu verfügen“. Keine Frage, die ZEV darf das. Aber dass die Verwaltung sich diese Sichtweise zu eigen macht, ist ein Skandal!

Die ZEV hat der Analyse zugrunde gelegt, ein komplett neues Netz zu errichten und in Konkurrenz zu am Markt etablierten Unternehmen zu betreiben. Diese völlig unrealistische Vorgabe musste zum vorliegenden Ergebnis führen. Es war aber gar nicht die Aufgabe! Im vom Stadtrat beschlossenen Antrag[2] wurden der Verwaltung (bewusst nicht abschließend) Schwerpunkte genannt, die u. a. zu untersuchen waren. Darin heißt es lediglich: „Einbeziehung kommunaler Unternehmen, sofern möglich und geeignet“. Das ist doch etwas völlig anderes, als im „Konzept“ dargestellt.

Offenbar ist man sich in der Verwaltung und auch in der Geschäftsführung der ZEV der Dimension des digitalen Wandels nicht bewusst. Man lebt im Gestern und ignoriert, was außerhalb der Stadt passiert. „Von 2018 bis 2025 wird ein durchschnittliches Wachstum (des Festnetz-Datenvolumens) pro Jahr von 30,5 Prozent erwartet.“, heißt es in einer Marktanalyse des Bundesverbandes Breitbandkommunikation von 2019[3]. Demnach soll sich das Volumen der pro Festnetzanschluss zu übertragenden Daten auf 825 Gigabyte im Monat erhöhen (2018: 128)!  Insbesondere gewerbliche, aber auch zunehmend private Kunden verlangen nach symmetrischen Bandbreiten. Eine Eigenschaft, die keine der heute in Zwickau verfügbaren Technologien bieten kann. Gegenüber dem Festnetz wird der Mobilfunk absehbar keine signifikante Rolle beim Datentransfer spielen. Daran scheint auch der Aufbau des 5G-Netzes nichts zu ändern. Der Ausbau eines gigabitfähigen Glasfasernetzes ist also keineswegs überflüssig, wie der ZEV-Geschäftsführer in einem Interview[4] meint; er ist vielmehr dringend erforderlich und von hoher Priorität für die Zukunftsfähigkeit der Stadt. Was heute als schnell gilt, wird morgen nicht mehr ausreichend sein. Davon bin ich überzeugt.

Man muss zudem zur Kenntnis nehmen, dass sich das Gewerbe in unserer Stadt sehr kleinteilig darstellt. Mehr als 90 Prozent der Betriebe haben weniger als 20 Beschäftigte und weniger als fünf Prozent aller Betriebe befinden sich in Gewerbe- und Industriegebieten. Sie können sich einen eigens für sie zu verlegenden Anschluss schlicht nicht leisten. Es ist eine herausragende Aufgabe der Wirtschaftsförderung, für eine zukunftsfähige Infrastruktur zu sorgen, auch und gerade außerhalb der Gewerbegebiete. Das wird entscheidend sein für Erhalt und Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes.

Wie es geht, zeigt Chemnitz. Dort sind bereits mehr als 60.000 Haushalte direkt per Glasfaser versorgt. Laufend wird das Netz erweitert. 

Aber auch ein Blick über Sachsen hinaus hilft. Ich war in Aerö bei Altbürgermeister Vettermann. Glasfaser in jedem Haus der Insel gibt es dort schon seit Jahren. Verlegt hat es übrigens der kommunale Stromversorger. Ich war in diesem Jahr auf der Zwickauer Hütte in Südtirol. In diesem einsam stehenden Haus auf 3000 Meter Höhe liegt selbstverständlich ein Glasfaseranschluss.

Aus der Erledigung des Auftrages des Stadtrates durch die Verwaltung ist zu schließen, dass man sich offenbar der Tragweite des Problems nicht ausreichend bewusst ist. Es ist kein Wille erkennbar, das vom Stadtrat vorgegebene Ziel umzusetzen. Vielmehr lautet das Fazit: „Lasst alle Hoffnung fahren. Die Versorgung überlassen wir dem Markt, also dem Willen der Telekommunikationskonzerne“. Genau diese Einstellung aber hat dazu geführt, dass noch immer nicht einmal jeder Haushalt der Stadt über eine Grundversorgung verfügt.

Es ist überaus frustrierend, dies hinnehmen zu müssen. Ich habe zwar aufgrund meiner Erfahrungen nicht viel erwartet, aber dies wurde noch unterboten. Kein eigenes Nachdenken ist zu spüren. Nicht mal ansatzweise sind Ideen erkennbar. Stattdessen Verweise auf Förderrichtlinien und die Verantwortung anderer. Auch wenn diese Aussagen nicht völlig falsch sind, helfen sie doch nicht weiter. Sich darauf zu beschränken, ist ein deutliches Zeugnis der Hilflosigkeit. So kommt man aber nicht weiter. Auch ein ängstliches Schielen auf den Haushalt ist an dieser Stelle nicht angebracht. Wenn wir so weitermachen, wird unsere Stadt weiter in Provinzialität verharren. Verantwortung für die Zukunft sieht anders aus. 

Warum hat man sich nicht mal mit potenziellen Partnern (wie z. B. die Telekom) hingesetzt und über die Möglichkeit einer Kooperation gesprochen? Warum hat man nicht bei Verbänden wie dem BREKO oder dem VKU nach Best Practices gefragt und diese geprüft. Wer ist auf die irrige Idee gekommen, ein völlig neues Netz sei der alleinige Wille des Stadtrates? Hätte man im Zweifel nicht das Gespräch mit mir oder anderen Stadtratskollegen suchen sollen? Tausend Fragen gehen mir durch den Kopf, auf die ich Antwort suche.

Deshalb wird die Sache mit der Vorlage des „Konzeptes“ nicht beendet sein. Auf gar keinem Fall …    


[1] https://ratsinfo.zwickau.de/bi/getfile.php?id=62078&type=do&

[2] https://ratsinfo.zwickau.de/bi/getfile.php?id=58389&type=do&

[3] https://brekoverband.de/wp-content/uploads/2019/08/BREKOMarktanalyse19_final.pdf

[4] https://www.freiepresse.de/zwickau/zwickau/das-problem-ist-es-rechnet-sich-nie-artikel10644539

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