Neulich fiel mir die August-Ausgabe des Anzeigenblatts „Der Planitzer“ in die Hand. Unter der Rubrik „In eigener Sache“ reklamierte Stefan Patzer gleich mehrfach eine seriösere Berichterstattung über Kriminalfälle. Seriosität macht er vor allem an der Nennung der Nationalität der Täter fest.
Aus meiner beruflichen Erfahrung heraus stößt mir eine solche Argumentation auf. Deshalb möchte ich gern meine persönliche Meinung dagegensetzen.
Patzers Journalismus ist selbst fragwürdig. Er skandalisiert und instrumentalisiert einzelne Delikte, um damit offenbar sein Weltbild zu bestätigen.
Gleichheit vor dem Gesetz
Für meine Kolleginnen und Kollegen und mich ist jede Straftat eine zu viel. Unser Job ist es, diese Taten zu verhindern und aufzuklären. Wer gegen das Recht verstößt, muss zur Verantwortung gezogen werden. Dabei ist irrelevant, welche Nationalität der Täter hat. Deshalb sollte sie auch keine Rolle spielen. Vor dem Gesetz ist jeder gleich.
Warum sollte dann bei Berichterstattung über Kriminalität die Herkunft der Täter genannt werden? Ist eine abscheuliche Tat mehr oder weniger abscheulich, wenn man die Nationalität des Täters kennt? Ist ein Mörder mörderischer, je nachdem, ob er Asiat, Afrikaner oder Deutscher ist? Macht es für das Opfer einen Unterschied?
„Richtige“ Deutsche
Ins Absurde gleitet Patzers Argumentation ab, als er über eine mutmaßliche Vergewaltigung auf Mallorca berichtet. Dort sollen vier Deutsche eine junge Frau missbraucht haben. Doch halt: Die vermeintlichen Täter haben fremdklingende Vornamen. Dies wurde von der Presse anfangs nicht erwähnt. Deshalb sei die Berichterstattung eine Täuschung der Öffentlichkeit, am Ende sogar Fake-News. Das müsse „die Empörung anheizen“. Nach meiner Meinung spielt auch in diesem Fall die Herkunft der Täter keine Rolle. Deshalb hätte man auf die Nennung verzichten können. Aber falsch war die Meldung nicht. Waren die vermutlichen Täter schließlich keine Deutsche? Nach Patzer offenbar nicht. Wer aber ist denn „richtiger“ Deutscher? Wer alte deutsche Vornamen hat? Jemand mit lückenlosen Stammbaum bis ins Mittelalter? Brauchen wir vielleicht bald wieder einen „Ariernachweis“? Nein. Deutscher ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt[1]. Punkt. Wer etwas anderes behauptet, liegt falsch.
Patzer meint, „unbestreitbar“ feststellen zu können, dass Täter „überwiegend im Dunstkreis der sogenannten Migranten“ auszumachen sind. Sicher gibt es unter denjenigen, die ins Land kommen, auch eine ganze Reihe Kriminelle. Das kann und will niemand bestreiten. Aber objektiv (wenn man die Statistik richtig, also kohordenbezogen, anwendet) gibt es keinen Beleg für eine signifikant höhere Kriminalität von Migranten gegenüber Deutschen[2]. Mit ein wenig Recherche hätte dies auch Stefan Patzer feststellen können.
Wird Kriminalität vertuscht?
Sein wahres Problem ist, dass angeblich Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte nicht richtig mit dem Problem umgehen. So würden Statistiken geschönt und – wie er es ausdrückt – „kaschiert, weggedrückt und umbenannt“. Es gäbe Vorschriften für Polizeibeamte zum Umgang mit Ausländerkriminalität, die ihnen u. a. die Information der Öffentlichkeit darüber verbieten. Belege dafür nennt er freilich nicht. Vielleicht beruft er sich auf in sozialen Netzwerken kursierende angebliche Verordnungen aus Nordrhein-Westfalen. Auch hier hätte er mit etwas googeln feststellen können, dass es solche Anweisungen tatsächlich gar nicht gibt[3]. Mir ist auch aus Sachsen keinerlei diesbezügliche Regelung bekannt.
Für bedenklich halte ich, dass offenbar Menschen bereit sind, so etwas überhaupt zu glauben. Denn auf was liefe es denn hinaus? Konkret würde damit gegen das Verfassungsgebot „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ (Artikel 3 GG) verstoßen. Welches Ministerium würde offiziell Vorschriften erlassen, die dem so eklatant widersprechen? Leben wir in einem Rechtsstaat oder in einer Bananenrepublik? Mit geringer Geistesanstrengung sollte man wirklich erkennen können, dass hier etwas nicht stimmen kann.
Patzers abschließender Vorwurf an Ministerpräsident Kretzschmer, die sächsischen Polizisten dürften ihren Job nicht ordentlich erledigen, entbehrt jeder Substanz. Die Polizei erfüllt nach meiner festen Überzeugung ihre Aufgabe nach Recht und Gesetz. Grundlage ihres Handelns ist das Grundgesetz. Wer etwas anderes behauptet, lügt.
Es gibt sicher seriösen und weniger seriösen Journalismus. Was Patzer im „Planitzer“ aber abliefert, ist gar kein Journalismus. Es ist schlicht Hetze.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Staatsangeh%C3%B6rigkeit
[2] Ein ausführlicher Faktencheck findet sich hier: https://www.volksverpetzer.de/analyse/zuwanderer-grafik/
[3] Pressemitteilung der Polizei NRW: https://polizei.nrw/presse/fake-news-im-internet