Seit einiger Zeit gibt es in Zwickau eine Diskussion, ob es hier ein NSU-Dokumentationszentrum geben soll. Worum geht es dabei?
Zehn Jahre ist es inzwischen her, dass in der Frühlingsstraße ein Haus explodierte. Die infolge dieses Ereignisses bekannt gewordenen Hintergründe haben unser Land erschüttert. Von Zwickau aus haben Rechtsterroristen unter dem Namen „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ eine beispiellose Blutspur durch Deutschland gezogen. Zehn Opfer fanden ihre Mordzüge. Außerdem wurden bei Anschlägen und Überfällen Menschen verletzt.
Schon damals gab es nicht Wenige in unserer Stadt, die am liebsten gar nicht über diese Vorgänge reden wollten. Befürchtet wurde ein Imageschaden für Zwickau. Erst nach und nach und auf Drängen der Zivilgesellschaft hat sich ein Gedenkbewusstsein entwickelt. Es brauchte dafür Zeit. Heute erinnern u. a. mit einer Spendenaktion finanzierte Bäume im Schwanenteichgelände an jedes Opfer.
Inzwischen wurde die juristische Aufbereitung des Falls abgeschlossen. Doch es gibt nach wie vor viele offene Fragen. Fragen, die eine Antwort suchen. Aus diesem Grund soll ein NSU-Dokumentationszentrum die Hintergründe erforschen und aufarbeiten. Begünstigend wirkende Umstände sollen aufgeklärt werden. Und es geht darum, Lehren für die Zukunft zu ziehen und damit einen Beitrag zur demokratischen Resilienz gerade junger Menschen zu leisten. Momentan läuft die Suche nach einem Standort für dieses Dokumentationszentrum.
CDU: Imageschaden für Zwickau
Wer sollte besser über die offenen Fragen Bescheid wissen, als Gerald Otto (CDU), der seinerzeit im Landtagsuntersuchungsausschuss saß. Umso erstaunlicher, dass gerade er nun den sich im Stadtrat formierenden Widerstand gegen die Ansiedlung des Doku-Zentrums in Zwickau öffentlich machte (Freie Presse vom 21.12.2021 – Paywall). Nachdem zuletzt bereits die Schaffung einer Stelle in der Stadtverwaltung zur NSU-Aufarbeitung verhindert wurde, kommt nun die Ablehnung des Doku-Zentrums in Zwickau. Man darf annehmen, dass seine Fraktion dabei mehrheitlich hinter ihm steht. Nicht erstaunlich ist die Unterstützung durch die AfD und deren Abspaltung „Freie Bürger“.
Gerald Otto befürchtet erneut einen Imageschaden für die Stadt. Sie soll als Automobil- und Robert-Schumann-Stadt wahrgenommen werden und nicht als Hort von Terroristen. Schließlich würde schon genug über Rechtsextremismus in Zwickau geredet. Vermutlich glaubt man, es wäre purer Zufall gewesen, dass der NSU von hier aus agierte. Doch das war nicht der Fall!
Zwickau richtiger Ort
Wir (und auch Gerald Otto) wissen heute ziemlich genau: Es war das vorhandene Unterstützernetzwerk, es waren die vorhandenen rechtsextremen Strukturen, die Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt her lockten. Diese für sie offenbar optimalen Bedingungen fanden sie eben nicht in ihrem ersten Unterschlupf in Chemnitz, wo Gerald Otto das Doku-Zentrum ansiedeln will. Zwickau war offensichtlich der richtige Ort für sie. Vieles spricht dafür, dass die rechtsextremen Strukturen nach wie vor bestehen. Wenn man so will, lebt der Geist des NSU hier weiter. Auch, wenn manche das scheinbar nicht wahrhaben wollen. Ein Zeichen dafür ist, dass antifaschistisch eingestellte junge Leute berichten, Angst zu haben, abends das Haus zu verlassen. Deshalb ist für meine Fraktion Zwickau genau der richtige Ort für das Dokumentationszentrum.
Warum soll dadurch das Image der Stadt leiden? Leidet Weimar darunter, dass dort die KZ-Gedenkstätte Buchenwald ist? Nein! Aus meiner Sicht gewinnt Zwickau eher an Image. Weil die Stadt damit dokumentiert, dass gerade hier konsequent Aufarbeitung und Aufklärung eines dunklen Kapitels der Stadtgeschichte erfolgt. Weil klargestellt wird, dass Zwickau keine „Täter:innen-Stadt“ ist, sondern eine Kommune, die sich offen und klar gegen die Täter:innen stellt. Die dafür eintritt, dass niemals wieder so etwas in ihren Stadtgrenzen passieren darf.
Imageschaden für CDU?
Einen Imageschaden sehe ich eher bei der Zwickauer CDU. Sie muss sich bewusst werden, dass sie mit ihrem Vorgehen abermals in eine verdächtige Nähe zum rechten Rand gerät. Macht sie sich mit denen gemein, die den Rechtsextremismus stets relativieren und für die der Schrecken des Nationalsozialismus nur ein „Fliegenschiss in der deutschen Geschichte“ ist? Es wäre sehr bedauerlich. Und es wäre ein Zeichen dafür, dass die von Friedrich Merz geforderte „Brandmauer“ zur AfD in Zwickau ziemlich löchrig ist.