Ich sehe ein AfD-Verbot sehr kritisch. Auch, wenn ich kein Freund der AfD bin. Deren Politik ist für mich falsch. Teilweise halte ich sie auch für gefährlich. Wer mich und meine Sozialisierung kennt, weiß das. Niemals kann ein so singuläres Verbrechen wie der Nationalsozialismus ein „Fliegenschiss der Geschichte“ sein. Das von ihr propagierte „Abschieben, abschieben, abschieben!“ ist zutiefst menschenverachtend. Über den bereits vor Jahren gefassten Beschluss meiner Gewerkschaft, das aktive Eintreten für die AfD für unvereinbar mit einer Mitgliedschaft zu erklären, bin ich auch heute noch stolz.
Die AfD hat auch keine Antworten auf die Probleme des Landes. Sie verfolgt eine zutiefst neoliberale, marktgläubige und wissenschaftsferne Politik. Gerade Arbeiterinnen und Arbeiter, die sogenannten kleinen Leute haben von ihr nichts zu erwarten, wie unlängst eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts ZWE zeigte.
zweifelhafte Rolle des Verfassungsschutzes
Trotzdem macht mich die Einstufung der Partei als „gesichert rechtsextremistisch“ durch den Verfassungsschutz nachdenklich. Nachdenklich macht mich auch, wie politische Kreise, die noch vor kurzer Zeit die Abschaffung des Dienstes forderten, ihn jetzt als Bollwerk der Demokratie feiern. Der Verfassungsschutz hat in der Vergangenheit gerade gezeigt, dass er nicht unbedingt immer unsere Grundordnung schützt. Vielmehr sind ob seiner Rolle zum Beispiel in Sachen NSU oder der Durchsetzung der NPD mit Agenten daran gewisse Zweifel angebracht. Der Verfassungsschutz ist auch nicht unabhängig. Er untersteht den Innenministerien des Bundes und der Länder. Er ist zwar parlamentarisch kontrolliert, aber eben doch ein klassischer Geheimdienst mit entsprechend undurchsichtigen Strukturen.
Warum Menschen AfD wählen
Ich halte ein AfD-Verbot auch für politisch falsch. Es löst nicht wirklich ein Problem. Die Menschen, die menschenfeindliche Aussagen der AfD nicht mehr anstößig finden, werden ihre Einstellung wegen der Einstufung nicht ändern. Das haben sie bisher in Sachsen auch nicht getan. Dazu haben weder die bisherige „Brandmauer“-Politik noch Demonstrationen von „Omas gegen rechts“ geführt. Für die Masse der AfD-Wähler zählt offenbar nicht, was die Partei für Positionen vertritt. Sie haben die bisherige Politik der Regierenden satt.

Sie wollen eine andere Politik. Eine, in der ihre Sorgen und Nöte ernst genommen werden, in der sie nicht täglich erleben müssen, wie Infrastruktur verrottet, Bildung und medizinische Versorgung den Bach runter gehen und wo stattdessen alles getan wird, um das Land kriegstüchtig zu machen.
In vielen Gesprächen wird uns auch immer wieder deutlich gemacht, wie die Menschen über den Zustand der Meinungsfreiheit in unserem Land denken. Sie fühlen längst, nicht mehr immer alles sagen zu dürfen, haben Angst vor Stigmatisierung und verlieren das Vertrauen in unsere freiheitliche Grundordnung.
nötig ist bessere Politik, kein AfD-Verbot
Deshalb verfolgt das BSW eine neue, eine bessere Politik. Wir wollen den Kampf für Frieden mit dem für soziale Gerechtigkeit und für Demokratie vereinen. Wir fordern Investitionen in wirtschaftlichen Aufschwung als Grundlage des Wohlstandes statt in Hochrüstung. Wir wollen mehr gut bezahlte Jobs, eine Schule, die allseits gebildete Absolventen hervorbringt, statt Abbrecher, ein besseres Gesundheitssystem und eine Rente, von der man in Würde leben kann. Ein Land, in dem der freie Diskurs der Meinungen nicht eingeengt wird, in dem Menschen offen sagen können, was sie denken. So muss der AfD, die auf marktradikale und sozialdarwinistische Lösungen setzt und damit eher die Spitzenverdiener bevorteilt, der Nährboden entzogen werden.
Machen wir uns nichts vor. Ein Verbot der AfD, wie es jetzt von einigen gefordert wird, ist höchst unwahrscheinlich. Und selbst wenn, es wird die Menschen nicht automatisch in den „Schoß der Demokratie“ zurückführen. Nein, dafür muss man ernsthaft die Probleme des Landes angehen. Offenbar ist das aber im Bundestag einigen zu mühsam oder sie haben kein realistisches Konzept dafür. Lieber stützt man sich also auf die Hoffnung, auf undemokratischem Weg einen lästigen Konkurrenten loszuwerden.
Das ist nicht die Alternative zur Alternative. Deshalb lehne ich einen solchen Weg ab und trete dafür ein, die AfD politisch zu bekämpfen, statt sie zu verbieten.